Christophe R. Aerni ist seit Kind fasziniert von den flämischen und holländischen Altmeistern. Diese Kunst der Malerei prägt ihn ein Leben lang. Das Malen, Zeichnen, Kreieren und Formen ist seine Welt. Dieses Jahr feiert er seinen 70. Geburtstag und greift immer noch täglich mit grosser Leidenschaft und Feingefühl zum Pinsel. Wir haben ihn in seinem Atelier in Egerkingen besucht und einen fantastischen Einblick in sein grossartiges Werk erhalten.
«Ich kann nichts anderes und ich weiss nichts anderes. Das Malen ist mein Inhalt, mein Atem, mein Denken und Fühlen», erklärt Christoph R. Aerni. Der renommierte Maler ist – vor allem für seine ausdrucksstarken Frauenakte – national und international bekannt. Der Gäuer Künstler, der auch bildhauerisch begabt ist, zeigt in seinem Atelier in Egerkingen immer wieder neue Arbeiten. Am 8. Februar feierte er seinen 70. Geburtstag. Grund genug für ihn, Bilanz zu ziehen über ein Leben, das der Kunst gewidmet ist. Sein Vater Guido Aerni brachte ihm die Kunst näher und mit gerade mal neun Jahren griff der neugierige Bub selbst zum Pinsel und malt das Porträt von Rembrandt von 1655 seines Sohnes Titus van Rijn nach. Danach waren für Christoph R. Aerni und seinen Vater klar, dass er Kunstmaler werden würde. Und so geschah es: «Zuerst absolvierte ich eine vierjährige Bildhauerlehre bei Münger in Gretzenbach. Ebenso besuchte ich die Kunstgewerbeschulen in Bern, St. Gallen und in Basel. Das war für mich die schönste Zeit.» Danach war der gebürtige Gunzger fünf Jahre als Bildhauer angestellt, frönte aber in der Freizeit seiner Passion dem Malen. 1979 macht er sich als Bildhauer und Maler selbstständig.
Ein Faible für die flämischen Altmeister
Von Anfang an faszinierten ihn die Altmeister in der Kunst der Malerei und es entstand ein tiefer Bezug zu den Künstlern aus der Renaissance, zu den flämischen und holländischen Malern wie Rembrandt und Rubens bis hin zu Albert Anker. «Die Technik, das Spiel mit Licht und Schatten von Rembrandt, wie es beispielsweise in seinem berühmten Werk «Die Nachwache» zu sehen ist, fasziniert und inspiriert mich immer wieder», so Aerni. Seine Maltechniken sind breitgefächert – egal ob Acryl, Öl, Aquarell oder Bleistift, – Aerni beherrscht sie alle aus dem Effeff. Die Vielseitigkeit von Christoph R. Aerni überrascht immer wieder. Die Motive, das Licht und die Tiefe in seinen Bildern sind einmalig und hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Sein Schaffen als Maler, Zeichner und Bildhauer fokussiert er seit je her auf die Menschen und die vielfältigen Möglichkeiten seiner Darstellung. Es findet Ausdruck in physiognomischen Studien, in äusserst minutiöser Akt- und Porträtmalerei, Impressionen und Plastiken. Er kennt sich auch mit abstrakten und modernen Elementen in verschiedensten Techniken aus. Auf seinen Reisen hat er sich jeweils mit den Menschen und ihrer Kultur malerisch auseinandergesetzt und diese Eindrücke in Ölgemälden, Aquarellen, Zeichnungen und bildhauerischen Arbeiten festgehalten.
Viele Persönlichkeiten aus Politik, Kunst, Wissenschaft liessen sich von ihm porträtieren, so unter anderem der Astronaut und NASA-Testpilot Claude Nicolier, Bundesrat Adolf Ogi, der Solothurner Schriftsteller Peter Bichsel, die Artistin Nina Burri, Ständerat Daniel Jositsch, Miss Schweiz und viele mehr.
Das faszinierende Abenteuer des (weiblichen) Aktes
Seine Königsdisziplin ist das Aktzeichnen und -malen. «Der Akt ist das Latein des Malens. Ob ein Künstler den Akt figurativ beherrscht, sieht selbst ein Laie auf den ersten Blick», erklärt Aerni und doppelt nach: «Das Malen des menschlichen Körpers ist am nächsten beim Modellieren und setzt ein räumliches Denken, Formen und Malen voraus.» Der menschliche Körper zu malen sei immer wieder ein faszinierendes Abenteuer für ihn, weil er all die grossartigen Formen in sich beherbergt, die man sich zum Malen wünsche. Aerni malt gerne Frauenakte, denn die Nacktheit ist für ihn allgemein kein verpöntes Thema, es gehört zur Bilddarstellung. Frauenakte fesseln ihn: «Der weibliche Akt darf auch betroffen machen und das Nackte und Verhüllte spielt miteinander», so Aerni. Oft macht er mit sensiblen inszenierten Akten aufmerksam auf bestimmte Gegebenheit, stellt sie in den Konsens mit der aktuellen Gesellschaft oder der momentanen Weltlage, thematisiert auf fast exzentrisch-lustvolle Art die Notlage der Welt und schockiert und provoziert damit. So entstehen tiefgründige, faszinierende und zugleich abstossende Bilder – die den Blick des Zuschauers jedenfalls für ein paar Sekunden fesseln und zum Nachdenken bringen. «Man sucht als Künstler nach vertieften Zusammenhängen, zieht Vergleiche mit früheren Darstellungen und taucht ein in eine Welt der (weiblichen) Formen, die einen gefangen nehmen.» Mittlerweile muss er seine Modelle nicht mehr suchen und schon gar nicht überreden, sondern er wird angefragt. Die Frauen sind mit Kopf und Herz bei der Sache. Es sind Modelle, die ihn über Jahre in seiner künstlerischen Arbeit unterstützen – alles starke Frauen – die zu ihrem Körper stehen und viel Spass daran haben.
Der Kanton Solothurn ignoriert ihn
Sein Reich der schöpferischen Kreativität ist seit bald 20 Jahren sein weit verwinkeltes Atelier in der alten Pinselfabrik gleich neben dem Bahnhof Egerkingen. Er liebt diese Oase der Kunst, obwohl es immer wieder ein finanzieller Kampf ist, dieses Paradies zu behalten. Einmal im Jahr öffnet er sein Atelier für ein Publikum, das seine Bilder liebt, und ihn schon lange auf seinem Weg der Kunst begleitet. «Das Gespräch und die Neugierde meiner Besucherinnen und Besucher ist mir wichtig und jedes Mal wieder eine grosse Bereicherung und Inspiration», freut sich Aerni, der auch dieses Jahr eine Jubiläumsausstellung plant. Auch im Ausland waren seine Werke schon zu sehen, so etwa in der Gallery Art 54, in New York, im Konrad-Adenauer-Haus in Bonn oder im Centre de Congrès in Monte Carlo.
Nur die Vertreter der Kunstkommission des Kantons Solothurn haben noch nicht realisiert, dass sie einen national und international bekannten Künstler in ihren Reihen haben, der wohl im Ausland bekannter ist als vor der Haustüre. Die zuständigen Kantonsvertreter haben Aerni noch nie wirklich die Plattform für eine Ausstellung gegeben, – geschweige ihm einen Kunstpreis oder eine andere Auszeichnung verliehen – sondern haben ihn bis jetzt immer mit leeren Versprechungen vertröstet. Doch Aerni lässt sich nicht unterkriegen. Er ist ein bescheidener und stets optimistischer Macher und hat mit seiner Kunst eine sechsköpfige Familie ein halbes Leben lang über die Runden gebracht – wenn das keine Leistung ist! «Wenn man malen muss, ist es hart verdientes Brot. Aber – wenn man malen darf, dann darf man ab und zu auch ein paar kritische Pinselstriche wagen», lacht Aerni. Auch mit seinen 70 Jahren auf dem Buckel malt er weiter – fröhlich, augenzwinkernd, mit viel Fingerspitzengefühl, Intensität und einem grossen Gespür für die Feinheiten des Lebens und einem noch grösseren Herzen für die Menschen. Aufgeben ist nicht sein Ding, im Gegenteil: «Ich glaube an mich – meine Zeit kommt noch.» Und wer weiss – vielleicht wird er auch noch vom Kanton Solothurn unterstützt.
Corinne Remund